Beitragvon shirkan » 07.08.2014 22:57
Depesche 057 Eine bandeninterne Umfrage
Als ich von Sitas selbst auferlegter Fitnesskur berichtete, habe ich es unterlassen, zu erwähnen, was der Rest der Dreierbande darüber denkt. Das sei hiermit nachgeholt. In dem Bestreben, die Aussagen von Shirkan und Rani möglichst wenig zu verfälschen, habe ich sie im O-Ton wiedergegeben und nur leicht gestrafft oder gekürzt.
Shirkan: Also, ich habe wirklich keine Lust, mich auch nur am Rande mit den Verzehrgewohnheiten und dem Trimm-Dich-Programm der Dicken zu befassen. Ich habe vollauf genug mit meinem seidigen Fell - Waschen, Anti-Splitting, Glanzverstärkung, Fülle-Spülung, Weißtönung, meiner Elvis-Tolle, Pediküre - und so weiter und so fort zu tun. Schönheit fällt einem nun einmal leider nicht in den Schoß; man muss sie sich erwerben!
Außerdem betrachte ich es als Zumutung, mir über das Wohl und Wehe von jemanden meinen schönen Kopf zerbrechen zu sollen, der auch nicht den Hauch von ernährungsphysiologischer Disziplin besitzt und alles in sich hineinschlingt, als sei er keine Katze, sondern ein Schaufelbagger an einer Autobahnbaustelle! Ich für meine Person rühre dieses Bonbon-Giftzeug nicht an, das man Krethi und Plethi vorsetzt – und bei dem niemand weiß, welche Horror-lngredenzien in ihm stecken! Ich speise nur ausgewähltes Nassfutter bester Provenienz!
Die Rennerei finde ich kindisch und gefährlich für Dritte, die bei einem Zusammenprall mit der Wuchtbrumme Sita zermalmt werden könnten. Es ist nichts weiter als ein wohlfeiler Spaß für geistig anspruchslose Charaktere, die wie Sita vom Bauernhof kommen und keinen Stammbaum besitzen!
Ansonsten ist zu vermelden, dass wir drei Katzen eine zufriedenstellende Form des Zusammenlebens gefunden haben. Ich treffe Sita eigentlich nur an der Futterstelle in der Küche und auf Herrchens Schreibtisch, und dank meiner vornehmen Zurückhaltung gibt es kaum je Streit. Was will man mehr?
Rani: Am Anfang hatte ich schreckliche Angst vor der dicken Tante. Sie war ein Berg, stark wie ein Rottweiler, und sie hatte Augen wie Wagenräder und Tatzen größer als mein ganzer Kopf. Sie hasste mich und fauchte jedes Mal, wenn ich ihr unter die Augen kam. Es war, als lebte ich mit einer Dampfmaschine zusammen! Aber einer, die statt Wasserdampfwölkchen nur Schmähungen ausstieß! Den ganzen Tag ging es: »Halbe Portion! Mickerling! Scheiß-Edelkatze! Ausländer! Missgeburt!, eingebildetes blaublütiges Aas! Verschwinde dahin, wo der Pfeffer wächst!« und so weiter ...
Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als Sita damit anfing, wie verrückt in Herrchens Zimmer herum zu galoppieren. Ich stand ein paar Mal mit Shirkan in der Tür und beobachtete aus sicherer Entfernung das wilde Treiben. Wir waren beide platt, wie viel Jagdeifer und urwüchsige Energie noch in der dicken Tante steckten. Gleichzeitig waren wir ob der Überflüssigkeit des Ganzen erschüttert: Warum Bonbons hinterher rasen, wenn sie fünf Minuten später auf die gewohnte Weise serviert werden würden, und man sie sich dann in aller Ruhe auf der Zunge zergehen lassen konnte?
Mit der riesigen Sita habe ich eine Art Waffenstillstand geschlossen. Das war aber nur möglich, weil ich ihr gezeigt habe, dass meine Krallen zwar klein, aber nadelspitz sind - und schnell wie der Blitz! Sita hatte mich einen ganzen Tag herumgeschubst, mir Ohrfeigen verpasst, mich vom Futter weggedrängt und mich angefaucht, als mir plötzlich zu meinem Schreck die Pfote ausgerutscht ist. Es war wie das Duell David gegen Goliath, und ich habe fast so gut getroffen wie mein Vorbild aus der Bibel.
Sita hatte einen vertikalen roten Schmiss quer über dem rechten Auge. Sie war außer sich und wollte mich zerquetschen, aber da holte sie sich ihre zweite Blessur. Sita war stärker, aber ich war schneller ...
Seit Sita die Pfoten von mir lässt, haben wir uns ganz gut zusammengerauft. Wir halten sogar abwechselnd an Herrchens Bett Wache, um nicht zu verpassen, wenn er aufwacht und seine Morgen-Leckerli verteilt. Das ist absolut eine Vertrauenssache, die man nur Freunden übertragen kann!