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Depesche 014 Missverständnisse ...
Katzen verstehen »ihre« Menschen besser als umgekehrt, da bin ich völlig sicher. Die Fähigkeiten der Samtpfoten wären besser bekannt, wenn ihre Felidennatur den Kleinraubtieren nicht oftmals verbieten würde, zu zeigen, was sie alles verstehen. Es gibt darüber hinaus Bereiche, in denen Instinkt, andere ur–kätzische Charaktereigenschaften und/oder Gene es den Stubentigern unmöglich machen, »brav« (oder menschen–konform) zu sein.
Anschauungsmaterial aus dem Archiv der Dreierbande:
Fall 1. Katzen–Mageninhalt und der Bodenbelag
Shirkan liegt neben meinem linken Ellenbogen, selig auf seiner Kuscheldecke schlafend – ein Bild des Friedens. Doch plötzlich ist es vorbei mit der häuslichen Idylle. Der weiße Kater wird wie von Krämpfen geschüttelt, bäumt sich wie unter Stromstößen auf. In seinem Innern scheint ein Kolben auf und ab zu sausen. Er ächzt »Ugggh! Agggh! Ugggh!«
Irgendwie erinnert mich unser Edelkater, was seine Konvulsionen und Lautäußerungen angeht, an den ersten Einzylinder–Motor des Rudolf Diesel.
Jeder passionierte Dosenöffner weiß, was Shirkan fehlt: Die Natur hat dafür gesorgt, dass die bei der Fellpflege verschluckten Haare – beziehungsweise aus ihnen gebildete Ballen – ins Freie drängen, wenn innere Verstopfung droht. Unser Schönster muss erbrechen.
Rasch packe ich das Bündel Küchenpapier, das für solche Notfälle bereitliegt, und will damit die Eruption auffangen. Aber Shirkan weicht mir aus und springt davon. Weiterhin wie der erste Diesel spotzend.
Ich wollte nur helfen, und dazu beitragen, die allmähliche Vernichtung unseres hellbeigen Teppichbodens durch Kotzattacken hinaus zu zögern; aber der Kater hat das nicht begriffen. Es ist eines der zahlreichen Missverständnisse, die trotz achttausendjähriger Kooperation das Zusammenleben von Katze und Mensch schwieriger als nötig machen. Möglicherweise ist den Stubentigern jede menschliche Einmischung in den doch ziemlich intimen Vorgang des Haareauswürgens auch einfach nur ein Gräuel.
Dennoch wurmt es mich, wenn sich Katzen, in denen der Einzylinder–Dieselmotor spotzt, mit letzter Kraft vom strapazierfähigen Kunststoffboden der Küche auf den hellen Flor »retten«, um sich dort zu übergeben. Irgendetwas scheint ihnen zu sagen, dass es ein Frevel ist, nicht auf den Teppich zu erbrechen!
Fall 2. Wie essende Menschen Sita anregen ...
Eine Wolke prägnanten Dufts lässt Elke aus ihrem Stuhl am Küchentisch hochfahren. »Das darf ja nicht wahr sein!«, faucht sie und reißt zwecks Luftaustausch die Balkontür auf. »Immer, wenn wir essen! Sita, du Ferkel!«
Die Angesprochene verzieht sich rasch. Ich glaube nicht, dass sie an schlechtem Gewissen leidet. Anderenfalls würde sie nicht – Frauchen hat da recht! – immer wieder ausgerechnet dann ihrer Toilette ein »großes Geschäft« anvertrauen, wenn wir, manchmal mit Gästen, am Esstisch versammelt sind. Irgendetwas flüstert der Katze ein, dass ein frequentierter Küchentisch und Stuhlgang zusammengehören, vielleicht sogar, dass eine Entleerung im trauten Rund eine freundliche Geste darstellt, mittels derer eine Katze den Zweibeinern ihre Zuneigung signalisieren kann. Unsere vollschlanke Schmusekatze kennt keine Bösheit. Sie hat den lieben langen Tag zur Verfügung und zwei Klos – aber sie richtet es sehr häufig so ein, dass Elke schimpfen muss. Warum nur?
Fall 3. Sauberkeit mit zweierlei Maß gemessen
Da liegt sie in all ihrer Pracht, die neue Katzendecke am linken Rand meines Schreibtisches, ein kuscheliges Katzenlotterbett aus vier flauschigen Lagen. Aber etwas stimmt nicht; denn Sita ruht neben der Luxusliege auf dem nackten Holz. Rani pirscht sich so vorsichtig an, als sei ein Rottweiler unter der Ruhestatt versteckt. Sie nähert sich millimeterweise und tippt nach langem Überlegen eine Pfote mit solcher Vorsicht auf das Felidenbett, als rechne sie mit Tellerminen und scharfzähnigen Schlagfallen.
Was ist passiert?
Ganz einfach: Frauchen hat die Decke, ein Weihnachtsgeschenk für die Dreierbande, in die Waschmaschine gesteckt, Shirkan, der sein Lager lange auf dem Flausch aufgeschlagen hatte, hat durch Spuckattacken dafür gesorgt, dass eine Reinigung unumgänglich wurde. Und jetzt ist die Decke auf einmal zwar sauber, aber, wie es scheint, Feindesland und für die Bande off limits.
Leider kann man die Haustiger nicht fragen, was sie abschreckt: Ist das Bettchen für sie »neu«, mithin hochsuspekt, stößt sie die aprilfrische Duftnote ab oder sind sie ganz einfach beleidigt, dass ihr Textil drei Tage verschwunden war?
Wird man es je erfahren?
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