Achtung - wird lang.

Als ich gestern Abend in der neuesten "Our Cats" las, haben sich bei mir derart die Nackenhaare gesträubt, dass ich nicht schlafen konnte, sondern um Mitternacht wieder aufgestanden bin um eine Mail an den Verlag zu schreiben!

In der Rubrik "Die Experten" fragt eine Leserin um Rat, ob sie sich wegen längerer Abwesenheit tagsüber eine Zweitkatze zulegen soll. Ich zitiere mal die "Expertin":
...der Gedanke, für Ihre Sandy ein zweites Kätzchen zu kaufen, ist aus menschlicher Sicht sicher sehr begrüßenswert. Jedoch kann man leider nie genau vorhersagen, ob Sandy das genau so sehen wird. ..... Bitte begehen Sie nicht den Fehler und setzen die neue Katze einfach direkt zu ihrer Sandy. In vielen Fällen sind dann Streitigkeiten oder gar Abwehrreaktionen zwischen den katzen vorprogrammiert. Folgende Methode hat sich als hilfreich erwiesen, wenn man zwei fremde Katzen zusammenführen möchte. Sie benötigen zunächst einmal einen Katzen-Zimmerkäfig. Diese gibt es im Fachhandel... kann man auch ... ausleihen. In diesen Katzen-Zimmerkäfig werden Ruhekörbchen sowie Futter- und Trinknapf gestellt. So ausgestattet steht der Katzen-Zimmerkäfig im größten Raum der Wohnung. Die neue Katze kommt in den katzen-Zimmerkäfig, Ihre Sandy darf frei in der Wohnung umherlaufen. ... Nach zwei Tagen wird gewechselt. Dann kommt Sandy in den geräumigen Katzen-Zimmerkäfig und der Neuankömmling darf die Wohnung erkunden. Diese Prozedur wird nun einige Tage wiederholt. ... Der Sinn und Zweck des Katzen-Zimmerkäfigs ist es, dass die beiden Katzen sich aneinander gewöhnen, ohne dass es zu Rangeleien kommt. Wenn Sie das Gefühl haben, die beiden haben sich aneinander gewöhnt, können Sie unter Aufsicht beide Katzen frei in der Wohnung laufen lassen. ...
Hier jetzt meine Mail:
Liebe our cats Redaktion,
als ich o.g. "Expertenrat" gelesen hatte, war ich so aufgebracht, dass ich jetzt einfach nicht schlafen kann, ohne darauf eine Erwiderung zu schreiben.
Zu meiner Person: Ich bin seit mehreren Jahren Moderatorin in "Cattalk", einem Katzenforum auf katzen-album.de, einer Community mit über 5000 Mitgliedern. Als solche habe ich viele Zusammenführungen von Katzen begleitet und miterlebt.
Und da bin ich jetzt einfach entsetzt über den Rat Ihrer "Expertin", eine Zusammenführung zweier Katzen mit Hilfe eines Zimmerkäfigs durchzuführen. Meiner Erfahrung und der vieler anderer nach ist da das Schiefgehen vorprogrammiert. Beide Katzen werden mit Sicherheit den "Katzenknast" mit der Gegenwart der anderen Katze verbinden und diese von vornherein ablehnen. Eine erfolgreiche Zusammenführung muss anders aussehen und ist in den meisten Fällen sehr viel unproblematischer, wenn man die Samtpfoten nicht gleich als mögliche Feinde ansieht sondern als mögliche Freunde.
Als ersten Schritt sollte man ein gut getragenes T-Shirt von sich selber nehmen und damit die eigene Katze gründlich abreiben. Dieses nimmt man dann mit und gibt es der "Neuen" gleich in den Transportkorb, damit sie sich schon mal an die Gerüche des neuen Zuhauses gewöhnen kann und nicht gleich alles ganz fremd ist. Einen Stecker mit Feliway zu Hause anbringen, noch bevor die neue Katze eintrifft, tut ein Übriges zur Wohlfühlatmosphäre.
Mit der neuen Samtpfote zu Hause sollte man dann gleich Nägel mit Köpfen machen. Eine kleine Weile dürfen sie sich noch durch den Transportkorb beschnuppern, dann wird die Tür aufgemacht. Großes Gefauche und Geknurre ist nur normal, schließlich will man sein Katzengesicht wahren. Auch ein oder zwei Ohrfeigen kann man noch mit Gelassenheit mit ansehen. Eingreifen sollte man wirklich nur dann, wenn Blut fließt, aber das wird nur in den seltensten Fällen vorkommen. Wichtig ist, dass nun die eigene (erste) Katze bevorzugt behandelt wird, sie sollte also als erste gestreichelt und gefüttert werden, damit sie weiß, dass sie immer noch die Katze des Herzens ist. Das oberste Gebot bei jeder Zusammenführung ist Geduld. Unsere Katzen haben ja ein Gespür für unsere seelischen Zustände, und wenn wir nervös sind, kommen sie auf die Idee, dass es dafür einen guten Grund geben muss.
Eine räumliche Trennung ist dann, und wirklich nur dann erforderlich, wenn es erhebliche Kämpfe (mit Blut) geben sollte. Aber bitte keinen "Katzenknast", sondern ein Trenngitter zwischen offenen Türen, durch das man sich beschnuppern kann, und dann ein gelegentliches Tauschen der Räume hinter dem Gitter, damit jede Katze alle Räume der Wohnung kennen lernen bzw. begehen kann.
Gemeinsames Spiel, z. B. mit einer Katzenangel, hilft beim Kennenlernen des anderen Tiers, ohne dass man unbedingt mit dem anderen direkten Kontakt haben muss. Die Katzen sollten auch wenn möglich in einem Raum gleichzeitig fressen, jede aus ihrem Napf. Und man sollte genügend Katzenklos zur Verfügung haben, idealerweise eines mehr als man Katzen hat, um eventuelles Klo-Mobbing zu unterbinden.
In seltenen Fällen funktioniert eine Zusammenführung sofort, es kann aber auch viele Wochen dauern. Nicht immer werden die Tiere sich innig lieben, aber es reicht, sich in der Anwesenheit des Anderen wohl zu fühlen. Auf jeden Fall ist das Zusammenleben zweier oder mehrerer Katzen dem Einzeldasein vorzuziehen, auch Streunerkatzen setzen sich abends gerne mal zu einem Plausch mit Artgenossen zusammen.
Und - ganz wichtig - bevor man sich eine neue Katze zur eigenen dazu holt, sollte es immer einen Plan B geben, falls es überhaupt nicht klappt! Also entweder mit dem Tierheim/dem Züchter vereinbaren, dass man die Katze zurückgeben kann, oder einen Bekannten/Verwandten in der Rückhand haben, der die neue Katze aufnehmen wird.
Katzen sind nicht von Natur aus Einzelgänger! Obwohl es gelegentlich welche gibt, die Alleinherrschaft bevorzugen - genau wie wir Menschen. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.
Und bitte pfeifen Sie Ihre "Expertin" zurück!
Ich glaub, jetzt kann ich gut schlafen.
Mit einem freundlichen MIAU
Ihre Hildegard I.
Jedenfalls war ich ganz schnell davon ab, diese Zeitung mal zu abonnieren, weil sie schwer zu bekommen ist, obwohl mir dort einige sehr seltsame esoterische Ratschläge schon länger sauer aufgestoßen sind.