Vögel füttern verändert die Vogelwelt

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HOTTI
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Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon HOTTI » 23.12.2010 05:10

Im Winter versorgen viele Deutsche wild lebende Vögel mit Futter - und sorgen damit für einen Expertenstreit. Einige warnen vor Krankheitsgefahren und Verhaltensänderungen. Andere sehen es als moralische Pflicht. Tatsächlich kann das Füttern zur Entstehung neuer Vogelarten führen.

Im Winter entdecken viele Menschen ihr Herz für Tiere, kaufen Meisenknödel und Körner, um die daheimgebliebenen Vögel zu versorgen. Im Durchschnitt geben die Deutschen dafür 15 Millionen Euro jährlich aus, in diesem Jahr dürfte es angesichts des harten Winters noch etwas mehr werden. Obwohl das winterliche Vogelfüttern längst zu einem Massenphänomen geworden ist, entfacht sich jedes Jahr aufs Neue ein Streit unter Vogelexperten.

Der Deutsche Naturschutzbund (Nabu) warnt vor den Gefahren des Fütterns: Die Piepmätze könnten sich im dichten Gedränge um die Futterstelle gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Die Organisation billigt die Vogelspeisung daher nur bei geschlossener Schneedecke oder Frost.

Der emeritierte Professor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen, Peter Berthold, hält das Füttern dagegen für "unsere moralische Pflicht" und sähe es am liebsten, wenn nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über Körner gestreut würden. Schließlich hätten wir die Landschaft so stark verändert, dass die Vögel nicht mehr genug Nahrung fänden.

Fakt ist, dass das Verhalten des Menschen das der Vögel beeinflusst. Das belegt auch eine neue Studie, die Zoologen der Universität Basel kürzlich im Fachblatt "Animal Behaviour" veröffentlicht haben. Demnach fangen gefütterte Kohlmeisenmännchen durchschnittlich 20 Minuten später an zu singen als Artgenossen, die sich ihr Futter selbst suchen müssen. Die Wissenschafter haben ihre Ergebnisse daher so zusammengefasst: "Wer Vögel füttert, kann morgens länger schlafen."

Die ersten Kohlmeisen beginnen schon kurz nach Weihnachten, wenn die Tage wieder länger werden, ihren Gesang zu üben. Im Frühjahr zwitschern die Männchen dann um ihr Revier zu verteidigen und Weibchen anzulocken.

Das Schweizer Forscherteam um Katja Saggese stattete im März 2007 14 Meisenreviere im Stadtgebiet von Oslo mit Futtersilos und Meisenknödeln aus; genauso viele Reviere dienten als Vergleichgruppe und blieben unbestückt. Jeweils vor der Fütterung, am Ende der zweiwöchigen Fütterungszeit und nochmals zwei Wochen danach nahmen die Forscher den Gesang der Männchen mit Richtmikrofonen auf - je eine Stunde vor und nach Sonnenaufgang.

Wer später singt, dem könnte das Weibchen untreu werden

Auch zwei Wochen nach der Fütterungszeit sangen die verköstigten Meisenmännchen noch verzögert. Was menschliche Langschläfer freuen dürfte, gibt Saggese und ihren Kollegen Anlass zur Sorge. Sie vermuten, dass das reiche Nahrungsangebot Rivalen angelockt haben könnte. Wahrscheinlich müssten die Männchen schon früh morgens ihr Revier verteidigen und kämen deshalb erst später zum Singen.

Wie die Forscher schreiben, sei der Morgengesang aber wichtig, um das eigene Weibchen daran zu hindern, fremdzugehen. Für gefütterte Meisenmännchen bestehe demnach eine erhöhte Gefahr, fremde Jungen aufzuziehen und den eigenen Fortpflanzungserfolg einzubüßen. Die Biologen raten daher, spätestens Ende März mit dem Füttern aufzuhören, damit sich die Tiere ungestört ihrem Brutgeschäft widmen können.

Peter Berthold, ein deutsches Ornithologie-Urgestein, hält das für eine gewagte These. "Gutgenährte Männchen stehen später auf, weil sie gelassener sind und nicht in die sogenannte 'Hungerunruhe' verfallen", so seine Erklärung. So wie Menschen auf Diät oft ein, zwei Stunden früher aufwachen, würden auch hungrige Vögel aus dem Schlaf gerissen, um nach Futter zu suchen. "Das dürfte für die gefütterten Männchen aber kein Nachteil sein. Wohlgenährt wie sie sind, können sie einem Eindringling einfach eins auf die Mütze geben."

Laut Berthold hat die Fütterung vor allem positive Effekte. Studien zeigten, dass die Tiere früher brüten, mehr Eier legen und ihre Jungen eher überleben, wenn sie von Menschenhand gefüttert werden. Er hält deshalb auch ein ganzjähriges Angebot für sinnvoll.

"Mit unserer perfektionierten Landwirtschaft haben wir vielen Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen, da ist es nur richtig, wenn wir sie dafür entschädigen", sagt Berthold. Früher hätten die Tiere auf den Äckern einen reichgedeckten Tisch vorgefunden, sie fraßen die Samen von Wildkräutern und schnappten nach Insekten, die von Klatschmohn oder Kornblume angezogen wurden. "Ich habe ausgerechnet, dass allein auf den Weizenfeldern eine Millionen Tonnen Sämereien zu holen waren", bei der heute praktizierten Monokultur und dem Einsatz von Herbiziden sei davon kaum etwas übrig geblieben. "Alle Meisenknödel zusammen können diesen Verlust nicht einmal annähernd ersetzen."

Das Füttern könnte die Evolution der Vögel beeinflussen

Einzelne Arten scheinen gut mit der neuen Nahrungsquelle zurecht zu kommen. So kehrte eine Population von Mönchgrasmücken ihrem typischen Winterdomizil Spanien in den Sechzigerjahren den Rücken und flog stattdessen nach Großbritannien. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass die Briten besonders freigiebig mit dem Vogelfutter sind. Mit der Zeit entwickelten die Großbritannien-Überwinterer sogar andere körperliche Merkmale. Sie haben zum Beispiel kürzere Flügel, die sich weniger für Langstreckenflüge, dafür aber besser zum Manövrieren in der Stadt eignen. Auch ihre Schnabelform ist eher ans Körnerpicken angepasst, als daran Oliven von den Bäumen zu pflücken.

Vergangenen Winter postulierten Freiburger Forscher schon die Aufspaltung der zwei Populationen zu je einer eigenständigen Art. "Bis dahin können aber noch gut 2000 bis 3000 Jahre vergehen", vermutet Berthold. "Es sei denn die beiden Ökotypen entwickeln zu stark unterschiedliche Dialekte." Wenn sich die Tiere untereinander nicht mehr verständigen können, könnte die Artbildung schon in einigen hundert Jahren erfolgen.

Berthold sieht es gelassen, dass die winterliche Tierliebe der Menschen die Vogelwelt so stark beeinflusst. "Niemand weiß, wie sich die Umweltbedingungen in den nächsten Jahrhunderten entwickeln werden. Ob dann die eine oder die andere Art im Vorteil ist, ist eine pure Lotterie."


Quelle: Spiegel-Online - http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,735650,00.html
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Re: Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon lulu39 » 23.12.2010 05:55

Danke, Hotti für den interessanten Beitrag.

Ich persönlich halte auch nichts vom Vögel füttern - wenn nicht mindestens eine Schneedecke liegt oder der Boden knochenhart gefroren ist.. Vorher finden die Vögel selbst noch und sollten sie auch.

Absolut "pervers" finde ich Vogelhäuschen oder Meisenknödel an Katzenhalter- Balkons.. :evil: :evil:

Der Streß, der da entsteht ist nicht schön und eigentlich auch nicht lustig..
Lg Katrin, Lulu, Lucy, Wassibär, Caesar und Sunny
Tief im Herzen: Pünktchen, Poppy, Nero und Snoopy

Achtung: Ich geh davon aus, das ihr Tips nur nach Rücksprache mit TA oder THP anwendet!

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Re: Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon vilica65 » 23.12.2010 07:18

ich würde gerne vogel futtern aber das tue ich meinen katzen nicht an.
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Liebe Grüsse, Vesna

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Re: Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon Tanuebi » 23.12.2010 09:18

genau Katrin!

Ich habe eine große Tanne im Garten, da hängen viele Meisenknödel drin und darunter steht ein großes Vogelhaus!
Jetzt wo seit Tagen alles gefroren und alles zugeschneit ist, ist dort Hyperbetrieb....
So wie der Schnee allerdings nächlässt, fütter ich auch nicht mehr nach.....

Ganz beliebt sind im Moment halbe Äpfel und Nüsse... :s01808:
Schnurrende Grüße von Tanja und der dicken Brumse
und ein fröhliches Schwanzwackelwuff von Buster
Meine wundervollen Engelchen Luna, Schnuffie und Toffie grüßen von den Sternen

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Re: Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon SONJA » 29.12.2010 10:45

Hm, ich bin da anderer Meinung.

In einer Stadt wie München (die zwar noch zu den "grünen" Städten Deutschlands mit sehr vielen Grünflächen usw. zählt) sind einfach nicht mehr genug natürliche Flächen vorhanden.

In München gibt's zB den Spatz nicht mehr (das muss man sich mal vorstellen) - weil es an Hecken fehlt, weil die Häuser alle "zusaniert" werden und somit die Nistplätze weg sind, weil es an nicht-gemähten Grünflächen mit Wiesen-Blumen fehlt und dadurch im Sommer die Insekten fehlen.
In München gibt's schon lange Aktionen, die die Stadt davon zu überzeugen versuchen, nicht immer alle Blumen-Wiesen gleichzeitig zu mähen (in den grossen Stadtparks, dem Olympiaglände, Englischer Garten usw.) - sondern immer nur halb-halb zu mähen, damit die Insekten, Schmetterlinge & Co überhaupt die Möglichkeit haben, noch Nahrung zu finden - aber das ganze setzt sich nur sehr widerwillig und langsam durch.

Neulich habe ich enen Bericht im TV gesehen, über einen Forscher, der seit Jahrzehnten die Insektenmengen in Städten erforscht - und das ist ganz, ganz dramatisch - der Rückgang. Da spielt zB auch die Licht-"Verseuchung" Nachts eine sehr grosse Rolle - die ganzen Nachtfalter & Co gehen an den ganzen Stadtbeleuchtungen drauf und der Rückgang der Arten + der Mengen ist wirklich erschreckend.

Der Mensch verändert seine Umwelt so extrem, dass es für die Vögel teilweise einfach nicht mehr möglich ist, für sich und ihre Nachkommen Nahrung in ausreichender Menge zu finde - und das hat nichts mit einer geschlossenen Schneedecke zu tun (das macht's nur noch viel extremer - auch die Temperaturen, die für einen erhöhten Energiebedarf sorgen usw.)

In einer natürlichen ländlichen Gegend, in der auch mal ein Sonnenblumenfeld stehen bleibt, in dem es viele natürliche Wiesen gibt usw. gibt's im Sommer sicherlich überhaupt keinen Bedarf am Zufüttern (da dann wirklich nur bei gefrorenem Boden + geschlossener Schneedecke) aber in Städten sehe ich da schon einen Bedarf...

Und letztendlich halte ich Vögel auch für intelligent genug, selber zu entscheiden, ob sie sich jetzt an einem Meisenknödel ihr Futter holen oder lieber im Boden nach Würmern suchen - es gibt Untersuchungen in England, die belegen, dass Meisen ihre Brut mit Insekten versorgen (und da muss so ein Meisenpäärchen im Minutentakt Futter für die Kleinen ranschaffen) und sich dann selber Futter an Futter-Stationen holt - einfach um den hohen Energiebedarf zu decken - die können da also ganz gut unterscheiden...

lg
sonja

...


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Re: Vögel füttern verändert die Vogelwelt

Beitragvon mezura » 30.12.2010 09:15

Ich finde auch, dass das ein sehr interessanter Beitrag ist. Sowohl Pro, als auch Contra.

Sicher verändert das Füttern die Vogelwelt, aber vielleicht ist die Richtung der Veränderung gar keine schlechte, eben vor dem Hintergrund, das die Lebensbedingungen der Vögel sich dramatisch verändern.

Wir füttern ausschließlich im Winter, bei geschlossener Schneedecke oder sehr stark gefrorenem Boden. Und wenn ich mal eine halbe Stunde später mit dem Futter komme, wird draußen schon gemeckert. Zu festen regelmässigen Zeiten kommt der eine Schwarm, dann der nächste, es vermischt sich nicht sehr, manchmal sind halt ein paar Einzelgänger dazwischen, wie Amseln, Dompfaff, Haubenmeisen, der Buntspecht, Rotkehlchen oder der Buchfink.

Nun haben wir in unserem Garten aber auch sehr viele samentragende Pflanzen, Beerensträucher, Hagebutten, Weißdorn, Sanddorn, und die werden erstmal leergefressen, vorher kommt sowieso keiner freiwillig ans Haus.

Ach ja, und was unsere Katzen angeht, denen sind die Vögel fast egal. Butcher hat einmal eine junge Amsel erwischt, aber die MUSS im vor die Füsse gefallen sein, er bewegt sich nicht freiwillig um zu jagen :D

Die haben wir aber gerettet, sie sitzt nach wie vor jeden Tag am Vogelhäuschen , zwei Federn stehen in die falsche Richtung, daran erkennen wir sie.

Eule dagegen, sitzt liebend gerne drinnen am Fenster und schnattert, danach putzt sie sich ausgiebig und rollt sich zum Schlafen ein, immer ein Auge auf das Vogelhaus. Und ist draußen das Frühstück beendet, lässt sie auch das Blinzeln, grins.

Also, ich glaube meinen Katzen tue ich einen Gefallen, manchmal sitzen die Meisen direkt vor dem Fenster, das finden meine Katzen allesamt besonders spannend. Und Streß in dem Sinne ist das nicht. Wenn Nachbars Katze vor dem Fesnter sitzt, ist das definitiv MEHR Streß. Es ist ein leben und leben lassen, alles was in unserem Garten ein zuhause hat, wird von meinen Katzen akzeptiert und teilweise sogar verteidigt. Elsten und Krähen, die meinen Hasen das Futter klauen, kriegen schon mal eher was auf die Nase, von meiner Katzenpolizei, grins.

Mikeschka sass vor kurzem direkt unter dem Vogelhaus, hihi, ich glaube, sie wollte auf Nr. Sicher gehen, haha, es war eine seeeeehr einsame halbe Stunde, alle Flattermänner waren zum Nachbarn frühstücken gegangen. Durchgefroren und frustriert kam die Kleine wieder rein und war den Rest des Tages seeehr in ihrer Jägerehre gekränkt :D

So nun aber ergo: Vögel füttern verändert die Vogelwelt, ja richtig, und das schon seit abertausenden von Jahren, das nennt man Evolution, Vögel verhungern lassen, weil man ihren Lebensraum abgeschafft hat, führt zum Aussterben.

Ich steht da mehr auf Evolution, auch zu Darwins Zeiten war es ein unterschiedliches Futterangebot, das der "zügigen" Entwicklung der verschiedenen Finkenarten voranging. Damals nannte man es eine "ökologische Nische", heute, bei unserer veränderten Umwelt, nennt man es vielleicht eher Vogelhäuschen.

In diesem Sinne, einen guten Rutsch ins neue Jahr,

Liebe Grüße
Mezura
Es gibt nichts ehrlicheres, als die Liebe eines geliebten Tieres.
Butcher, Buffy, Mikeschka und Eule und die vier Wackelnasen Madame, Hoppel, Fussel und Murphy



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